Schulen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Kunst und Kultur systematisch im Schulalltag zu verankern, haben Grosses vor. Denn sie stehen vor der Herausforderung, Kommunikations- und Ausdrucksformen zu integrieren, die sich deutlich von den üblichen Prinzipien der Schule unterscheiden. Neben Allgemeingültigkeit, Vergleichbarkeit und Bewertbarkeit beanspruchen dann auch Kriterien wie individuelle Emotionen, Körperwissen oder Uneindeutigkeit umfängliche Gültigkeit. Interessant ist, dass Schulen, denen es leicht gelingt Kunst und Kultur im Schulalltag zu verankern, alle eines machen: Sie entwickeln Angebote, in denen Lehrpersonen praktische Erfahrungen mit Kunst und Kultur sammeln können.
Starke Praxis, geringe Reichweite
Ob Klassenzimmer im Museum, künstlerische Schulhofpausen oder Tanz im Chemieunterricht – neueste Studien zeigen, auch Schulen, die herausragende kulturelle Aktivitäten in ihrer Lehr- und Lernkultur anbieten, verfügen dafür nur selten über ausgearbeitete Konzeptpapiere (Bromba/Gördel 2019). Der Grund ist einfach: Kulturelle Aktivitäten fussen auf praktischen Wissensformen und Erfahrungen. Daher verträgt sich im Erleben vieler Akteurinnen und Akteure die Entwicklung kultureller Angebote häufig nicht mit linearen Planungsprozessen. In Schulen basiert das kulturelle Angebot entsprechend auf dem praktischen Handeln engagierter Personen, informeller Kommunikation und weniger auf theoretischer Konzeptarbeit. Das macht Probleme:
- Das Engagement für kulturelle Angebote bleibt auf einzelne Personen reduziert.
- Die Reichweite und Akzeptanz der Angebote bleibt auf den Einflusskreis dieser Personen begrenzt.
- Gehen die Kolleginnen und Kollegen, verschwinden auch die kulturellen Angebote.
Erfahrung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Die Verankerung ästhetisch-kultureller Angebote bedarf deshalb auch einer Integration in die systematischen Prozesse der Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung einer Schule. Aber: Die Berücksichtigung und Anwendung praktischer ästhetisch-kultureller Wissensformen lässt sich nicht einfach top-down per Schulentwicklungsplan verordnen. Ästhetisch-kulturelle Praxis und Kooperationen mit ausserschulischen Kulturpartnerinnen und -partnern müssen für Lehrpersonen in einem sinnhaften, verstehbaren und auch gestaltbaren Zusammenhang mit ihren Aufgaben stehen. Deshalb ist für eine systematische kulturelle Schulentwicklung vor allem eines besonders wichtig: praktische Erlebnisse und beglückende Erfahrungen mit Kunst und Kultur. Denn systematische Planungsprozesse gelingen dann besonders gut, wenn ihnen die Möglichkeit zur Seite gestellt wird, suchend, variierend, schrittweise Erfahrungen machen zu können. Ein Erfolgsprinzip für kulturelle Schulentwicklung liegt daher in künstlerischen Fortbildungen für Lehrpersonen. Die Erfahrung eigener Wahrnehmungs-, Erfindungs- und Ausdrucksmöglichkeiten steht dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Entdeckung von Schnittstellen für das eigene alltägliche Leben und Arbeiten in der Schule wie auch der Bezug zum Lehrplan.
Doppelstrategie: System und Bottom-up
Positive Erfahrungen mit der Wahrnehmung des eigen Berufs zu verknüpfen, ist eine wichtige Funktion der künstlerischen Fortbildungen für Lehrpersonen. Denn Offenheit für systematische Planungsprozesse entsteht besonders dann, wenn diese als Unterstützungssystem für positive Erfahrungen erlebt werden. Die Prozesse einer systematischen kulturellen Schulentwicklung werden dann weniger als externe Anforderung oder als Druck von oben wahrgenommen. Stattdessen werden die Planungsprozesse durch eine erfahrungsbasiert wachsende Überzeugung und sukzessive Begeisterung legitimiert und so bottom-up unterstützt.
Kuratieren Sie Begeisterung!
Im Rahmen einer systematischen kulturellen Schulentwicklung gehört es daher zu den wichtigsten Aufgaben der Schulleitung und der kulturbeauftragten Lehrpersonen, einen Fahrplan für die sukzessive Begeisterung des Kollegiums zu kuratieren. Dieser Kulturfahrplan der Begeisterung beinhaltet unterschiedliche Meilensteine, um mit Kunst und Kultur praktisch Erfahrungen machen zu können. Hierbei ist es entscheidend, sowohl an Interessen der Kolleginnen und Kollegen anzuknüpfen als auch mit unerwarteten Anknüpfungspunkten ästhetisch-kultureller Praktiken an die schulischen Aufgaben der Lehrpersonen zu überraschen. Sukzessive Überzeugung braucht erfahrungsbasierte Begeisterung. Begeisterung entsteht nicht im Gewohnten. Sie blüht in der Reflexion auf, dass unbemerkt ein erfolgreicher Sprung gelungen ist. Die Erfahrung, dass das Mögliche machbar und annehmbar ist, macht Mut und neugierig auf mehr. Ganz im Sinne Saint-Exupérys:
„Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem grossen und schönen Meer“
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