Vom Kunstlehrstuhl zur Stelle für Kunst&Kultur
Im Sommer 2021 ging das erfolgreiche Kunst-und-Bau-Projekt Kunstlehrstuhl BBB zu Ende, das über zehn Jahre hinweg in zahlreichen partizipativen Kunstprojekten rund 2’000 Berufslernende mit Kunstschaffenden zusammengebracht hat. Die Lernenden erlebten in den Projekten des Kunstlehrstuhls künstlerische Prozesse und gestalteten diese aktiv mit. Sie durften ausprobieren und lernten auch das Scheitern und Neu-Versuchen als bereichernde Erfahrungen kennen. Aus den zahlreichen Rückmeldungen der Jugendlichen zu unterschiedlichen Projekten wurde immer wieder deutlich, wie sie den Blick auf ihnen fremde Themen als Horizonterweiterung wahrnahmen und dadurch ein neues Kunstverständnis entwickeln konnten. Für die Schulleitung war nach der Kunstlehrstuhl-Zeit deshalb klar, dass kulturelle Bildung und Kreativität auch weiterhin einen fixen Platz in der Schulagenda behalten sollten. Mit der eigens dafür geschaffenen Stelle für „Kunst&Kultur an der BBB“, die offiziell seit dem Schuljahr 2023/2024 besteht und durch eine Pensum-Erhöhung abgegolten wird, wird diesem Grundsatz Rechnung getragen. Im Zentrum stehen die Organisation, Vorbereitung und Durchführung partizipativer Projekte für die Berufslernenden in unterschiedlichen Kunstformen. Die Aufgabenbereiche gehen jedoch darüber hinaus und umfassen auch das Initiieren und Unterstützen von Führungen in Museen, die Unterstützung von künstlerisch-kreativen Vertiefungsarbeiten beziehungsweise Interdisziplinäre Projektarbeiten (IDPA), die Konzeption von kulturellen Weiterbildungsangeboten an der Schule oder auch die Kuration von Kunst in den Schulhäusern. Ziel ist es ausserdem, die Zusammenarbeit mit kulturellen Institutionen in und um Baden zu verstärken, die als ausserschulische Lernorte den Horizont der Berufslernenden und das Interesse an Kunst und Kultur in unterschiedlichen Bereichen erweitern können.
„BBB goes Fantoche“
Als grösseres Kunst&Kultur-Projekt im Schuljahr 2023/2024 wurde eine Kollaboration mit dem Animationsfilmfestival „Fantoche“ angestrebt. Seit rund 20 Jahren findet dieses Festival jeweils im September in unmittelbarer Nähe der BBB statt. Zwar haben in dieser Zeit immer wieder Klassen der BBB das Fantoche besucht, wenn sich die Lehrperson dafür engagiert hat. Zu einer näheren Zusammenarbeit ist es jedoch noch nie gekommen. Höchste Zeit also für eine BBB-Fantoche-Kollaboration, die mit dem Trickfilm eine Kunstform ins Zentrum rückte, die in der Lebenswelt der Berufslernenden Bedeutung hat! Dank dem Vermittlungsangebot von „Kultur macht Schule“, wo sich die Fantoche-Workshops bereits etabliert haben, war die Zusammenarbeit rasch aufgegleist. Sowohl der Verantwortliche für Vermittlung des Fantoche-Teams wie auch die beiden Filmschaffenden freuten sich, zum ersten Mal in dieser Form mit einer Berufsfachschule zusammenzuarbeiten. Geplant wurden Workshops mit professionellen Animationsfilmschaffenden, in denen die Berufslernenden Einblicke in den kreativen Prozess des Filmemachens erhielten und die Grundtechnik des Stop-Motion-Trickfilms selbst ausprobierten. Ziel der Workshops war es, dass die Berufslernenden einen eigenen Plot filmisch umsetzen, indem sie in Kleingruppen selbst Figuren und Hintergründe aus Papier hergestellt haben und diese schliesslich „in Bewegung bringen“ beziehungsweise animieren konnten.
ABU-Unterricht als kreative Werkstatt
In der ersten Woche wurden die acht Klassen an ihrem ABU-Halbtag (ABU = Allgemeinbildender Unterricht) durch die beiden Workshopleiter Jonathan Wüst und Dustin Rees in Geschichte und Technik des Animationsfilms eingeführt. Ausserdem ging es in Kleingruppen darum, eine Story zu entwerfen, die sie dann in den beiden darauffolgenden Wochen selbständig beziehungsweise in Anwesenheit der Lehrpersonen umsetzen konnten. Am zweiten Halbtag ging es darum, alle Figuren und Formen mit Papier und Schere vorzubereiten, die am dritten Halbtag für die Stop-Motion-Animation gebraucht wurden. So wurden die Unterrichtszimmer an jenen Halbtagen zu kreativen Werkstätten, die DUDEN-Bücher übereinander gestapelt zu Türmen der selbst gebauten Drehstation und die Berufslernenden zu Künstlerinnen und Künstler. „Wie in der Primarschule“ fühlten sich laut ihren Aussagen einige Lernende, weil sie wieder einmal mit Filzstiften, Klebstift und buntem Papier hantieren durften oder auch mussten. Doch wie Pablo Picasso sagte: „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“ Wie wichtig also, dass gerade auch in der Zeit des Berufseinstiegs, wo oft keine Zeit mehr da ist für kreative Hobbies, solche künstlerischen Erfahrungen ermöglicht und damit Erinnerungen an die kindliche Fantasie und das freie Tun im Primarschulalter wieder aufgeweckt werden!
Feedback als Motivation und Wertschätzung
In der vierten Woche kriegten die Berufslernenden nochmals Besuch der beiden Filmexperten, die mit ihrem Know-How und Feedback den Kurzfilmen den letzten Schliff verleihen konnten. Zu wissen, dass die Filmexperten am Schluss das Produkt sehen werden, war einerseits sehr wichtig für die Motivation der Lernenden, sich überhaupt auf das Projekt einzulassen. Andererseits haben die kreativen Werke der Lernenden durch die professionelle Feedback-Runde zum Abschluss nochmals eine andere Wertschätzung erfahren, als sie im blossen Klassenverband möglich gewesen wäre. Nicht nur eine Gruppe hat nach den kritischen, aber stets positiven Rückmeldungen der Experten sowie der Kolleginnen und Kollegen nochmals den Ehrgeiz gepackt, etwas Kleines im Film nochmals zu verbessern.
Eindrücklich ist die Fülle an Ideen und Themen aus den Lebens- und Berufswelten der Jugendlichen, die in den knapp 40 Kurzfilmen aus acht verschiedenen Klassen – von angehenden Autofachleuten über Informatikerinnen und Informatiker, ICT-Fachleuten und Mediamatikerinnen und Mediamatiker, Elektronikerinnen und Elektroniker, Polymechanikerinnen und Polymechaniker und Anlage- und Apparatebauerinnen und -bauern – zusammengekommen sind. Sei es ein schleuderndes Auto im Kreisel, ein Fussballmatch zwischen Menschen und Fischen, ein Hamster mit Testosteron-Spritze oder ein Äffchen mit Knarre – die jugendliche Fantasie ist grenzenlos. Am 8. September wurde die ganze BBB-Reihe am Fantoche im Programm „Toons by Teens“ auf der Kinoleinwand gezeigt.
Neue Erfahrungen ermöglichen
Welche Adjektive passen für dich zu den vier Projekthalbtagen? Auf diese Frage haben die Berufslernenden in der Evaluation mehrheitlich so geantwortet: „abwechslungsreich“, „interessant“ und „neu“. Insbesondere das letztgenannte Adjektiv macht Freude, ist es doch erklärtes Ziel von „Kunst&Kultur an der BBB“, die Kreativität der Berufslernenden zu wecken und dabei eben ganz „neue“ Erfahrungen zu ermöglichen.
Dass die Kuration von partizipativen Projekten mit der neuen Stelle nun hausintern organisiert ist, erweist sich als Vorteil. Als ABU-Lehrerin kenne ich die Zielgruppe der Berufslernenden und die organisatorischen Herausforderungen an der Berufsfachschule bestens. Ausserdem kann ich meine Kolleginnen und Kollegen von Beginn weg ins Boot holen und so zum Erfolg der Projekte beitragen, ist es doch schliesslich auch der Enthusiasmus der Lehrperson, der den Funken überspringen lässt. In näherer Zukunft soll sich der Juni an der BBB als Kunst&Kultur-Monat etablieren. Man sei also gespannt, welche künstlerischen Potentiale die Berufslernenden im nächsten Sommer entfalten.
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