Ausgehend von den Erfahrungen der Ausstellungsreihe „neoscope“ von 2017 bis 2019 entstand die Idee von der Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern unter Zuhilfenahme der Archivunterlagen des Kunsthauses Zofingen zum Thema Performance. Das Kulturhappening „zofiscope“ anno 1974 lud unter dem Motto „Die Stadt als Gestaltungsfeld“ die ganze Bevölkerung Zofingens zur Teilnahme an Workshops mit Künstlerinnen und Künstlern ein.
Im Hier und Jetzt
Für das Projekt „Was war – Was ist “ stand das Kunsthaus Zofingen den Schülerinnen und Schülern des Schwerpunktfachs Bildnerisches Gestalten (Klassen 4A, 4D und 4E) der Kantonsschule Zofingen als Projektort für ein Performance- und Videoprojekt offen. Die Grundlagen der Kunstform der Performance vermittelten zwei Kunstschaffende spielerisch. Anhand strukturierter, aufeinander aufbauenden Übungen lernte die Klasse gemeinsam zu improvisieren. Unter anderem wurden Körperpräsenz, Konzentration, Timing und Kooperation trainiert und die Wahrnehmung für Bewegungsabläufe sensibilisiert sowie geschärft. In einem weiteren Schritt wurden anhand von Bildern und Videos eine grosse Auswahl von Arbeiten vieler Künstlerinnen und Künstler und deren Performances vorgestellt. Die Diskussionen und Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern förderten das Verständnis für diese Kunstform und die vorgestellten Beispiele von Umsetzungsmöglichkeiten inspirierten ihre eigenen Ideen.
Die Freiheit mit Zeit und Raum umzugehen
Durch die Entwicklung von ersten einfachen Gruppenarbeiten und derer Präsentation im öffentlichen Raum erweiterte sich die Kompetenz, die Wirkung von Haltung und Mimik zu erfahren und gezielt einzusetzen. Ergänzend dazu wurden erste eigene Versuche mit Videoaufnahmen durchgeführt. Die Stärkung der visuellen Wahrnehmung und die Übertragung der Arbeiten in Videos waren weitere Ziele der Vermittlungsarbeit. Die visuelle Wahrnehmung geht weit über das reine Aufnehmen und Ermitteln von Umweltinformationen durch das Sehvermögen hinaus. Wir sehen viel mehr als unser Gehirn verarbeiten kann. Die Kunstschaffenden legten ein besonderes Augenmerk auf das periphere Gesichtsfeld. Das periphere Sehen ermöglicht die Wahrnehmung durch einen auf ca. 107 Grad erweiterten Gesichtswinkel. Das Wissen um diese erweiterte Wahrnehmungsmöglichkeit vergrössert den Aktionsradius und ermöglicht mehr Spielraum für die Performancearbeit. Die Kombination aus Handlung, Wirkung und einer gezielten Absicht eine Aussage mittels Performance zu zeigen, eröffnete ein unerschöpfliches Handlungs- und Experimentierfeld. Diesen Freiraum wahrzunehmen und auszufüllen war für die Jugendlichen eine Herausforderung.
Die Präsentation in exponierter Lage im öffentlichen Raum forderte Überwindung und wurde auch von den Jugendlichen als „Verlassen der Komfortzone“ beschrieben. So war das Interesse an der Technik der Videoaufnahme meist grösser und die gestalterische Umsetzung bei den Schülerinnen und Schülern beliebter als der Ausdruck mit dem eigenen Körper. Die Schülerinnen und Schüler konnten in dieser Projektarbeit im Kunsthaus ausserdem den Umgang mit der freien Raum- und Zeiteinteilung üben. Die Tageseinteilung folgte nicht dem strukturierten Ablauf des gewohnten Unterrichts von Pausengong zu Pausengong. Die Auseinandersetzung mit den planerischen Ideen zu Performance forderte Geduld und Eigeninitiative, das Thema wurde nicht vorgegeben. Die Aufgabe mussten sich die Schülerinnen und Schüler selbst stellen. Sie sollten das Thema in ihrem eigenen Interessensgebiet suchen. Das kreative, prozessoffene Arbeiten gehört nicht zum gewohnten Alltag der Schülerinnen und Schüler.
Vielmehr haben sie gelernt, gestellte Aufgaben möglichst schnell und fehlerfrei auszuführen. Scheitern als bereichernde Erfahrung und nicht als Rückschlag anzusehen, darin lag in diesem Projekt das grosse Potenzial. Dabei brauchte es gezielte Unterstützung durch die beteiligten Kulturschaffenden, die den Jugendlichen mit ihrem Wissen auf Augenhöhe zur Seite standen. Die Schülerinnen und Schüler bedurften Verständnis sowie punktuelle und individuelle Hilfestellungen. Gleichzeitig konnte die Kenntnis der technischen Hilfsmittel vertieft werden, um die Vielfalt der möglichen Effekte kennenzulernen, mit denen die unterschiedlichsten visuellen Darstellungsmöglichkeiten erreicht werden können. Auch ging es darum, im gegenseitigen Vertrauen Erfahrungen zu sammeln, die es erlauben, das Gelernte in vielen Bereichen des Lebens anzuwenden.
Offenheit von allen Seiten
Aus den Rückmeldungen der Jugendlichen ging hervor, dass die angenehme, ermutigende Stimmung, die praxisbezogenen Übungen, die Möglichkeit zur Umsetzung der eigenen Ideen und die Aufforderung seine Komfortzone zu verlassen als positiv empfunden wurden. Trotzdem bemängelten die Jugendlichen das Fehlen von genauen Anweisungen und eines strukturierten Ablaufs. Den Umgang mit Freiheit erlernt man nicht sofort. Mit einer gezielten und intensivierten Vorbereitung im Vorfeld können die Schülerinnen und Schüler genauer auf die besonderen Eigenarten künstlerischen Arbeitens vorbereitet werden. Die Öffnung von Kunsthäusern für Schulen fördert das Verständnis für die Künstlerinnen und Künstler und ihre Arbeitsformen. Das Erleben von Gruppendynamik und die gemeinsame Umsetzung eines Gestaltungsprozesses macht die Schülerinnen und Schüler nicht zu passiven Zuschauerinnen und Zuschauern, sondern erweitert ihren Horizont.
Sie erleben die Herstellung von künstlerischer Arbeit. Der bereichernde Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern, den Lehrpersonen und den Kulturschaffenden sollte gestärkt werden. Dafür ist es wichtig, die Schulstrukturen für Projekte, die ausserhalb der gewohnten Umgebung stattfinden, aufzubrechen. Eine solche Zusammenarbeit bringt viele Chancen mit sich und soll durch die Beteiligung aller gestaltet werden.
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