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Das Aussenzimmer – ein Lernort im Zimmermannhaus

Die Vision: Als Aussenzimmer des Stapferschulhauses werden die Kunstausstellungen im Brugger Zimmermannhaus von allen Klassen der Primarschule Stapfer mehrmals pro Jahr besucht. Es ist für Schülerinnen und Schüler wie Lehrerpersonen ein inspirierender Ort, der lustvolle Lernmomente, vielfältige Erfahrungen, prägende Begegnungen sowie an- und aufregende Entdeckungen bereit hält.

Kinder ertasten vorsichtig mit ihren Füssen den unebenen Boden.
Prozessor-Projekt "Aussenzimmer" des Zimmermannhauses in Zusammenarbeit mit der Primarschule Stapfer Brugg.

Im Aussenzimmer

Die Tür zur neuen Ausstellung öffnet sich, es ist stockdunkel. 22 Schülerinnen und Schüler betreten nacheinander vorsichtig und neugierig den Raum. Zunächst nur mit Taschenlampen erkunden sie, was sich ihnen zeigen wird, wenn das Licht angeht.

Kinder bewegen sich vorsichtig durch einen dunklen Raum mit bunten Bodenelementen.
Foto: Kaspar Ruoff

Das explorative Lernsetting stellt sinnliche Erfahrungen und differenzierte Wahrnehmung als Ergänzung zum Schulzimmer in den Mittelpunkt. Überfachliche Kompetenzen des Lehrplans 21 werden gemeinsam geübt. Kunst bietet den Kontext, steht aber nicht im Fokus. Um die häufigen Besuche möglich zu machen, führen die Lehrpersonen mit vorgestalteten Programmen nach und nach selbständig Sequenzen im Aussenzimmer durch. Einzelne Übungen werden immer wieder angewandt und so zu erprobten Ritualen. Anhand von Videoscreenings begrüsst das Projektteam die Klassen und leitet einzelne Übungen auch direkt an, so dass das Team als Gastgeberin präsent ist. Auch die jeweils ausstellenden Kunstschaffenden wenden sich per Video an die Besucherinnen und Besucher und geben kurze Einblicke in ihr Schaffen und ihre Ateliers.

Kinder sitzen im Kreis und hören einer Kunstschaffenden zu, die sie per Video begrüsst.
Foto: Kaspar Ruoff

Gleich um die Ecke

48 Kinderhände ertasten sorgfältig den lehmig-steinigen Boden im Zimmermannhaus. Der Raum hat sich komplett verändert seit dem letzten Besuch. Es ist unerwartet still, eine neugierige Spannung liegt in der Luft.

Kinder ertasten mit verschlossenen Augen den unebenen Boden.
Foto: Kaspar Ruoff

Sehr grosses Potenzial sehen wir in der räumlichen Nähe von Stapfer-Schulhaus und Zimmermannhaus. So können die Lehrpersonen jede Ausstellung unkompliziert und niederschwellig mit ihren Klassen besuchen.

Die Kombination von wiederkehrenden Formaten und wechselnden Inhalten erwies sich in unserem Pilotprojekt als sehr gewinnbringend. Die bereits bekannten Räumlichkeiten und die ritualisierten Übungen fungieren als Ankerpunkte, geben allen Beteiligten Sicherheit und Struktur und schaffen damit auch Vertrauen. Im Vorfeld haben einige Lehrpersonen angemerkt, dass auffällige Kinder an ausserschulischen Lernorten vermehrt stören. Gerade diese Kinder profitieren davon, dass der Besuch immer ähnlich strukturiert ist und sie durch das Aussenzimmer-Setting dennoch jedes Mal wieder neu stimuliert werden. Die jeweils sehr anders gestalteten Innenräume laden ihrerseits sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrpersonen ein, sich auf Neues und Ungewöhnliches einzulassen, wohldosiert auch ihnen unbekannte Methoden auszuprobieren, sich ins Verhältnis zum Erwarteten und Erlebten zu setzen und ihr Denken innerhalb der gegebenen Struktur zu reflektieren.

Drei Kinder sitzen in einem dunklen Raum mit bunten Elementen.
Foto: Kaspar Ruoff

Verankerung im Alltag

Eine Woche nach dem Ausstellungbesuch flattert eine Postkarte mit dem Rezept der verwendeten Eitempera in die Klassenbox im Stapferschulhaus. Im Mathematikunterricht berechnen die Kinder die erforderliche Menge an Zutaten, die sie für die ganze Klasse einkaufen möchten.

Durch die Nachbarschaft der beiden Institutionen Schule und Zimmermannhaus kommen viele der Schülerinnen und Schüler auch im ausserschulischen Alltag in Berührung mit dem Zimmermannhaus. So werden ihnen das Format des Aussenzimmers und die damit verbundenen Erfahrungen immer wieder ins Gedächtnis gerufen und lebendig gehalten. Dieses Prinzip der Verankerung setzen wir auch im Schulhaus ein: Der „Blick ins Aussenzimmer“, ein zum Zimmermannhaus gerichtetes Periskop, ermöglicht auch vom Schulhaus aus partielle Einblicke. Mit den „Erinnerungen ans Aussenzimmer“ erhalten alle Klassen im Anschluss an ihren Besuch ein stellvertretendes Objekt, das sie in einem Setzkasten in ihrem Schulzimmer aufbewahren.

Kinderbeine auf unebenem Boden.
Foto: Kaspar Ruoff

Gemeinsames Entwickeln

Eine Schulklasse steht im Hof des Zimmermannhaus im Kreis. Reihum sagt jedes Kind laut und deutlich ein Adjektiv, das ihm in Bezug auf die letzte Ausstellung einfällt und klatscht danach. Eine Wortskulptur als Nachhall entsteht.

Eine Schulklasse steht im Hof im Kreis.
Foto: Kaspar Ruoff

Die stark nutzerzentrierte Entwicklung des Projekts halten wir für essentiell für das Gelingen von Aussenzimmer. Das Projektteam ist mit Kunstschaffenden, Vermittlungsfachpersonen, Kuratorinnen und Kuratoren wie auch Lehrpersonen und Eltern von Schulkindern interdisziplinär zusammengesetzt. Den Prototypen entwickeln wir prozessoffen und in mehreren Zyklen und treffen uns dazwischen immer wieder mit den Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schülern zum Austausch. Diese partizipative Erarbeitung ist zum einen befruchtend, zum anderen ressourcenintensiv. Vom Projektteam sind immer wieder Feingefühl und Offenheit für Ansätze gefragt, die nicht direkt den Zielen des Projekts entsprechen; ebenso die Prämisse, Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler als Expertinnen und Experten für Unterricht mitgestaltend einzubeziehen.

Kinder und Lehrerin ertasten vorsichtig mit ihren Füssen den unebenen Boden.
Foto: Kaspar Ruoff

Zwischengedanken

Ein solches Projekt kann dann langfristig gelingen, wenn alle Projektbeteiligten die Bereitschaft mitbringen, sich auf Neues einzulassen, Ideen nicht gleich von Anfang an zu verwerfen, sondern sie weiterzudenken, auszuprobieren und sowohl aus vermittelnder, künstlerischer wie auch Perspektive der Schülerinnen und Schüler zu reflektieren. Dieselbe Offenheit, aber auch Verbindlichkeit ist von Seiten der beteiligten Institutionen und Förderstellen gefragt. Sich gemeinsam auf unsicheres Terrain zu begeben und dafür trotz unbekanntem Ergebnis die benötigten Ressourcen und eine unterstützende Ausgangslage zu schaffen, ist Grundvoraussetzung, damit das Potenzial von Projekten wie Aussenzimmer überhaupt aktiviert werden kann: Nämlich dass künstlerische und kreative Ansätze zu einem selbstverständlichen Teil des Unterrichts werden und die Beteiligten Lust und Mut entwickeln, der Welt neugierig und hinterfragend zu begegnen wie auch eigenständig zu denken und zu handeln.

Eine Gruppe Kinder steht in einem dunklen Raum mit bunten Bodenelementen, die vom Scheinwerferlicht beschienen werden.
Foto: Kaspar Ruoff

Als île flottante (www.ileflottante.ch) realisieren Andrea Gsell und Nica Giuliani seit 2003 Kunstprojekte vorwiegend im öffentlichen Raum, in deren Fokus reale und imaginäre beziehungsweise imaginierte Räume stehen. Das Künstlerinnenduo arbeitet immer wieder mit Schulen zusammen und interessiert sich für das Potential der Schnittstelle von Kunst & Schule. So entwickelten sie das Kunstvermittlungsprojekt „Stadtereignisse“ für Jugendliche im öffentlichen Raum und setzten es 2016 zusammen mit Lilian Beidler erstmals mit 140 Schülerinnen und Schüler in Brugg, später in Aarau um. 2017 waren île flottante als „Artists in Residence“ an der Primarschule Laufenburg zu Gast.


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Aussenzimmer

Involvierte Kulturschaffende

île flottante | Nica Giuliani und Andrea Gsell, Künstlerinnen und Kunstvermittlerinnen, www.ileflottante.ch, Lea Kupferschmid, Lehrerin und Kulturbeauftragte der Primarschule Stapfer Brugg, Jonas Studer, Künstler, Kunstvermittler und Lehrer, www.jonasstuder.ch

Involvierte Kulturinstitutionen

Zimmermannhaus Kunst & Musik, Brugg, www.zimmermannhaus.ch

Zeitraum Projekt 01.06.2021 bis 31.08.2022
Schule(n) Primarschule Stapfer, Brugg
Schulklassen 4
Anzahl Schülerinnen und Schüler 80
Schulstufe(n) Zyklus 1 und 2
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Andrea Gsell

Andrea Gsell (Jahrgang 1974, lebt und arbeitet in Brugg,) leitet seit 2017 das Zimmermannhaus Kunst & Musik der Stadt Brugg. 2018 war sie im Rahmen eines Lehrauftrags der Professur Kulturvermittlung & Theaterpädagogik der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW mitverantwortlich für die Entwicklung und Durchführung eines Kunstvermittlungsmoduls für Studierende der Pädagogischen Hochschule.

Webseite: https://zimmermannhaus.ch

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    Nica Giuliani

    Nica Giuliani (Jahrgang 1980, lebt und arbeitet in Basel-Stadt) arbeitet bei der Firma Tweaklab, die Medieninstallationen in Museen umsetzt. Im Rahmen ihres Masterabschluss in CrossMedia in Magdeburg 2019 hat sie sich mit kreativen Prozessen und Methoden in der Gruppe auseinandergesetzt.

    Webseite: http://www.ileflottante.ch/

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      Lea Kupferschmid

      Lea Kupferschmid Jahrgang 1990, lebt und arbeitet in Brugg) arbeitet seit 2012 als Primarlehrerin. Bereits während ihrer Schulzeit an der Rudolf Steiner Schule Aesch sammelte sie viele praktische Erfahrungen in den Bereichen Kunst und Theater und entwickelte ihre Leidenschaft dafür. Mit dem Besuch des Vertiefungsfachs Theaterpädagogik, Kunst- und Kulturvermittlung der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW spezialisierte sie sich auch auf die Vermittlung derselben und realisierte das Projekt "Blickwinkel im Fokus", das die Auszeichnung Funkenflug 2019/20 von Kultur macht Schule gewann. Ihr Interesse gilt der Schnittmenge von Kunst und Schule und der gesunden Entwicklung der Selbstkonzepte der Kinder. Aussenzimmer sieht sie als Möglichkeit, Räume jenseits von richtig oder falsch zu eröffnen, in denen jeder Mensch sein eigenes Potenzial entfalten kann und in welchen Vielfalt als Ressource verstanden wird.

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        Jonas Studer

        Jonas Studer (Jahrgang 1981, lebt und arbeitet in Brugg und Wimmis) ist als freischaffender Künstler, Kunstvermittler (u.a. für Kultur macht Schule), Pädagoge und Lehrbeauftragter für Kunstwissenschaften in Bild und Kunst an der Professur in Didaktik Kunst & Design Sekundarstufe I und II tätig sowie Co-Founder des eduLAB Thun. Dabei interessiert er sich insbesondere für die experimentelle Analog-Fotografie, Druckgrafik und Malerei sowie für die Erforschung des Kreativ-Prozesses und dessen Mehrwert für das "System Schule". Studers künstlerische Arbeit ist geprägt vom "Tout-Monde"-Gedanken Éduard Glissants, dessen "Poetik der Vielheit" für eine menschliche Identität steht, die sich nicht über die ethnische Abstammung, sondern über die Vielfalt der Beziehungen definiert.

        Webseite: http://www.jonasstuder.ch