Worum geht es?
Es ist noch nicht so lange her, dass Pädagogik als praktische Kunst und nicht als Wissenschaft verstanden wurde. Mit „Kunst“ sind hierbei Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die man in der Praxis im Umgang mit anderen Menschen erworben hat. Ein solcher Kunstbegriff hat eine lange Tradition, denn er geht auf das lateinische „ars“ zurück, was wiederum die Übersetzung des griechischen „techné“ war. Und dies bedeutete genau dies: praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Materialien und Menschen (Fuchs 2011).
Inzwischen ist die Gestaltung von Schule zwar auch zum Gegenstand einer sich zur Wissenschaft entwickelten Pädagogik geworden (siehe etwa Fend 2005), doch spielt die praktische Erfahrung im Umgang mit der Schule immer noch eine entscheidende Rolle. Denn jede einzelne Schule hat ihre Besonderheiten: ein Gebäude mit seiner jeweiligen Ausstattung in einer spezifischen Lage, ein besonderes Lehrerkollegium, eine Auswahl von Schülerinnen und Schülern zusammen mit ihren Eltern – und all dies in ständiger Veränderung. In der Schweiz gibt es über 11’000 Schulen, in denen über 110’000 Lehrerinnen und Lehrer fast 1 Million Schülerinnen und Schüler unterrichten. Die Schule ist nicht bloss wichtig im Leben der Heranwachsenden und ihrer Eltern, sie ist auch wichtig als Teil des Arbeitsmarkts mit hohen Anforderungen an die Qualifikation der in ihr beschäftigten Menschen.
Die Erwartungen an Schule sind ausgesprochen hoch. Natürlich geht es um die Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen, es gibt jedoch auch gesellschaftliche Funktionen, die sie für die verschiedenen Gruppierungen in der Gesellschaft zu erfüllen hat. Der lange in der Schweiz tätige österreichische Erziehungswissenschaftler Helmut Fend hat sich intensiv mit diesen „gesellschaftlichen Funktionen“ befasst und die – nicht immer miteinander in Einklang zu bringenden – Anforderungen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Zusammenleben der Menschen und aus dem Kulturbereich beschrieben. Oft genug sucht man im öffentlichen und politischen Diskurs beim Auftauchen gesellschaftlicher Probleme die Schuld in der Schule, die angeblich ihre Aufgaben nicht richtig erfülle. Seit es die gesellschaftliche Institution der Schule gibt, gibt es Schulkritik und Forderungen nach entsprechenden Veränderungen. Diese Veränderungswünsche betreffen zum einen den Lehrplan, also die Frage danach, welche Inhalte in welcher Weise und Intensität und in welchem Umfang vermittelt werden sollen (vgl. Künzli u. a. 2013). Die Geschichte der Schule kann daher auch als Geschichte des Streits über den „richtigen“ Lehrplan geschrieben werden. Oft betreffen die Debatten auch das Bildungssystem insgesamt, die geeignete Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern oder die Organisation der einzelnen Schule. Schule steht also im Zentrum unterschiedlicher Interessen, sie kann zudem unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden: Sie ist
- eine Institution der Vergabe von Berechtigungen,
- ein Schonraum für Kinder und Jugendliche,
- ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche,
- ein Arbeitsplatz für viele Berufe,
- ein Ort der Begegnung von Generationen, sowohl unter den Schülerinnen und Schülern (man beachte nur den Altersunterschied zwischen Schülerinnen und Schülern der fünften und der 13. Klasse; auch bei den Lehrerinnen und Lehrern kann es zu einem Altersunterschied von fast 40 Jahren kommen),
- ein Ort systematischen Lehrens und Lernens,
- ein Ort der Begegnung mit Gleichaltrigen (Peer Group),
- eine Instanz der Selektion,
- ein Ort der Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung,
- eine Sozialisationsinstanz,
- ein Ort der Befreiung vom Elternhaus,
- ein Ort der Anerkennung und Demütigung,
- ein Ort, der in einer entscheidenden Lebensphase einen sehr hohen Zeitanteil in Anspruch nimmt mit einem bestimmten strengen zeitlichen Regime,
- ein gestalteter räumlicher Kontext.
All diese Bestimmungsmerkmale führen zu der These:
Schule ist eine komplexe Lebenswelt eigener Art.
Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Gestaltung der einzelnen Schule und schlägt vor, das bislang zu wenig genutzte Potenzial der Künste – nunmehr in traditionellem Sinne verstanden als ästhetische Praxis – für die Entwicklung der Schule zu nutzen. Es wurde vorgeschlagen, hierbei von „kultureller Schulentwicklung“ zu sprechen (vgl. Fuchs 2017). Die Frage ist, welche Rolle in diesem Zusammenhang eine ästhetische Praxis, die Künste und die Künstlerinnen und Künstler spielen können.
Kunst und Schule: Die Ausgangslage
Trotz der immer wieder vorgetragenen Forderungen, die Schule möge sich verstärkt auf die sogenannten „harten“ Fächer konzentrieren (sogenannte „MINT-Fächer“: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), die in der Arbeitswelt – auch im Hinblick auf die Wirtschaft des Landes – benötigt werden, haben Musik, Theater, bildende Kunst, Literatur und Tanz immer noch ihren Platz in den Lehrplänen. Man kann hierbei sogar auf eine sehr lange Tradition hinweisen, denn schon in den mittelalterlichen Schulen, die die Jesuiten eingerichtet hatten, stand Theater auf dem Lehrplan. Auch die internationalen Vergleichsuntersuchung PISA, die mit ihrer Konzentration auf die Landessprache, auf Mathematik und Naturwissenschaften in öffentlichen Debatten oft fälschlicherweise so verstanden wurde, als ob ein neuer verbindlicher Kanon propagiert werde, hat daran nichts geändert (vgl. Bamford 2006). Es kann daher nicht darum gehen, Kunst grundsätzlich in die Schulen zu bringen: Sie ist schon längst dort vorhanden. Dabei geht es nicht bloss um die künstlerischen Schulfächer, sondern es dürften in jeder Schule ausserunterrichtliche künstlerische Arbeitsgemeinschaften (Chöre, Theater AGs etc.) angeboten werden. Keine Schule wird zudem darauf verzichten, das ortsansässige Theater oder Museum zu besuchen. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Initiativen und Programme, ausserschulische Expertinnen und Experten – darunter auch Kulturschaffende verschiedener Sparten – in die Schule hineinzuholen. In früheren Zeiten sprach man von dem Konzept einer „Öffnung von Schule“ und man sah – gerade in den letzten Jahren – die Schule in ihrer Vernetzung mit Institutionen und Personen im sozialen Raum.
Inzwischen gibt es Untersuchungen und zahlreiche Erfahrungen, dass und wie die Schulkultur von solchen Entwicklungen profitiert, man weiss allerdings auch, dass die Realisierung solcher Ansätze mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, der zu Ermüdungserscheinungen bei den organisierenden Lehrpersonen und den Kulturschaffenden führen kann. Vor diesem Hintergrund ist in verschiedenen Ländern die Idee entstanden, Möglichkeiten einer ästhetischen Erfahrung von Schülerinnen und Schülern (und Lehrpersonen) durch eine verbesserte strukturelle Verankerung solcher Ansätze in der Schule zu verbessern. Eine gewisse Vorreiterrolle spielte in diesem Zusammenhang die Bildungspolitik von Tony Blair in England, die eine entsprechende kulturelle Profilierung von Schulen – etwa durch eine Kooperation von Schulen mit ausserschulischen Personen und Einrichtungen – unterstützte. Insbesondere war es das später von der konservativen Regierung beendete Projekt „creative partnerships“.
Bevor kurz beschrieben werden soll, wie ein solcher Schulentwicklungsprozess funktionieren kann, will ich darauf hinweisen, welchen Nutzen er den Beteiligten bringt. In England gibt es seit langem eine unabhängige und kritische Schulevaluation durch OFSTED („Office for Standards in Education, Children’s Services and Skills“). Insbesondere wurden die Schulen genauer untersucht, die sich auf den Weg einer kulturellen Schulentwicklung begeben haben. Das Ergebnis war insgesamt positiv: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich deutlich wohler in entsprechend gestalteten Schulen. Zudem verbesserten sich auch die Ergebnisse in den PISA-Untersuchungen.
Kulturelle Schulentwicklung: Zum Konzept einer Kulturschule
Eine Kulturschule ist eine Schule mit einem kulturell-ästhetischen Profil (vgl. Fuchs 2008). Die Schule ist insgesamt als ästhetischer Erfahrungsraum gestaltet. Ein solcher Ansatz hat inzwischen erheblichen Rückenwind bekommen: In der Lerntheorie diskutiert man den Wert leiblichen und ästhetischen Lernens (siehe Göhlich u. a. 2007). Die UNESCO hat daher zwei internationale Kongresse zu künstlerisch-kultureller Bildung veranstaltet, bei denen eine „Roadmap“ erarbeitet und verabschiedet wurde, die zu einer entsprechenden Schulentwicklung auffordert. Ein methodischer Ansatz besteht darin, eine ästhetische Dimension in allen Qualitätsbereichen von Schule zu betonen.
Die internationale Diskussion über Schulqualität hat dazu geführt, dass es weitgehende Einigkeit darüber gibt, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Auf nationaler Ebene drückt sich das darin aus, dass die Qualitätstableaus beziehungsweise die Referenzrahmen für Schulqualität bei allen Unterschieden in der Formulierung und in der Anordnung der Bereiche im Wesentlichen dieselben Inhaltsbereiche enthalten (siehe Fend 2008, 211ff., für die Schweiz siehe etwa das Basisinstrument zur Schulqualität Q2E):
- Erwartete Ergebnisse und Wirkungen,
- Lehren und Lernen,
- Schulkultur,
- Führen und Management sowie
- Rahmenbedingungen und verbindliche Vorgaben.
Eine Kulturschule kann als eine Schule verstanden werden, in der das Prinzip Ästhetik in diesen Qualitätsbereichen zur Anwendung kommt. Dies ist mit der Erkenntnis verbunden, dass Schulentwicklung im Dreieck von Unterrichtsentwicklung, Personalentwicklung und Organisationsentwicklung angelegt werden muss (vgl. Bohl u. a. 2010 sowie Rolff 2013).
Lehren und Lernen
Der Unterricht gilt als Kerngeschäft von Schule. Allerdings ist die Schule als „Haus des Lernens“ (Bildungskommission 1995) insgesamt als Ort des Lernens konzipiert, was heisst, dass ausserhalb des lehrplanbezogenen Unterrichts auch das ausserunterrichtliche Leben in der Schule im Hinblick auf Lerngelegenheiten überprüft werden muss (im Sinne der Unterscheidung von formalem, nonformalem und informellem Lernen).
Die Realisierung des Prinzips Ästhetik bedeutet im Hinblick auf Unterricht, dass künstlerisch-ästhetische Verfahren eine wichtige Rolle spielen. Nun ist es unmittelbar einleuchtend, dass dies in den künstlerischen Fächern oder in den Fächern, in denen eine Auseinandersetzung mit Künsten (Deutsch, Fremdsprachen, Sport) in den Curricula vorgesehen ist, keine Probleme bereitet. Sehr viel schwieriger ist es, die Relevanz künstlerischer Verfahren in nicht künstlerischen Fächern aufzuzeigen. Seit einigen Jahren gibt es daher verstärkt Versuche, Künstlerinnen und Künstler in den Unterricht nichtkünstlerischer Fächer einzubeziehen. Auf internationaler Ebene gibt es etwa die kanadische Initiative LTTA („Learning through the Arts“), die inzwischen an der Universität Würzburg eine deutsche Dependance hat. Auch im Rahmen des Kulturagentenprogramms gab es zahlreiche Versuche in dieser Hinsicht. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Wissenschaftliche Vertiefung der Konzepte der Kulturschule und der kulturellen Schulentwicklung“ (Fuchs/Braun, 2015, 2016a, 2016b) konnten solche Initiativen genauer betrachtet werden. So wurden im Rahmen eines pädagogischen Tages dem gesamten Kollegium einer grossen Gesamtschule (rund 140 Personen; siehe den Erfahrungsbericht am Ende dieses Texts) in Workshops die entsprechenden Arbeitsansätze der erfahrenen Künstlergruppe von LTTA Deutschland vorgestellt. Die Resonanz war positiv. Allerdings wurden Hoffnungen auf eine grössere Nachhaltigkeit dieser Impulse nicht erfüllt (gemessen etwa an der Integration solcher Methoden in die Fach-Curricula der Schule). Daher wurde als komplementärer Ansatz versucht, einen ähnlichen Fortbildungstag mit kunstaffinen Fachdidaktikerinnen und -didaktikern zu gestalten. Die Grundidee war, dass diese Expertinnen und Experten verschiedener Unterrichtsfächer dieselbe Sprache wie die Fachlehrpersonen sprechen und daher in besonderer Weise geeignet waren, die Kompatibilität curricularer Fachinhalte mit ästhetischen Methoden aufzuzeigen (es wurden die Fächer Englisch, Geographie, Mathematik, Biologie, Sport einbezogen. Siehe die entsprechenden Beiträge von Hasse, Klinge, Weth und Thurn in Braun/Fuchs 2015). In der Tat hat dieser Versuch positive Wirkungen gezeigt. Allerdings müsste diese Frage Gegenstand eines sorgfältigen Forschungsprojekts werden (siehe Fuchs/Braun 2018).
In einer Kulturschule spielt das ausserunterrichtliche Angebot für eine ästhetisch-künstlerische Praxis der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle. Wie oben erwähnt, sind viele Förderprogramme darauf angelegt, hierbei sowohl eine Kooperation mit Kultureinrichtungen als auch mit Künstlerinnen und Künstlern zu realisieren. Das Neue an der Entwicklung besteht darin, solche Kooperationen verbindlich und dauerhaft zu gestalten. Als wichtiges Instrument hat sich im Kulturagentenprogramm dabei der sogenannte „Kulturfahrplan“ entwickelt, eine mittelfristige Planung der Schule für ihre Aktivitäten im Bereich einer künstlerisch-ästhetischen Praxis, die das beschlossene Leitbild der kulturellen Profilierung konkretisiert (Forum K&B 2015, Bd. „Auftrag Vision“).
Schulkultur
Unter der Rubrik Schulkultur führt (als ein gut entwickeltes Beispiel in Deutschland) der „Referenzrahmen Schulqualität“ Nordrhein-Westfalen die folgenden Punkte an: Demokratische Gestaltung, Umgang mit Heterogenität, schulinterne Kooperation, gestaltetes Schulleben, Gesundheit und Bewegung, externe Kooperation und Vernetzung und Gestaltung des Schulgebäudes und Schulgeländes. Um bei dem letzten Punkt zu beginnen, liegt es auf der Hand, dass eine ästhetische Gestaltung der gegenständlichen Umgebung zu dem Konzept der Kulturschule gehört und damit auch kompatibel ist mit diesem Inhaltsbereich von Schulqualität („Schule muss schön sein!“). Auch der Punkt „externe Kooperation und Vernetzung“ wird – wie oben beschrieben – durch das Konzept einer Kulturschule erfasst, wobei es hierbei insbesondere um eine Kooperation mit Künstlerinnen und Künstlern sowie mit Kultur- und kulturpädagogischen Einrichtungen geht. Unterstützt wird dieses Anliegen durch das Konzept einer „kommunalen Bildungslandschaft“, so wie es bereits in dem Gutachten der Bildungskommission (1995) angedacht war.
Die Gestaltung des Schullebens, die Rolle und Inszenierung besonderer schulischer Ereignisse (zum Beispiel Schulentlassungsfeiern) wird seit längerem in der Schulpädagogik diskutiert und kann mit dem Begriff einer „Kultivierung des (Schul-)Alltags“ (in Anlehnung an Eckart Liebau) erfasst werden. Eine weitere Dimension der hier vorgestellten Konzeption einer Kulturschule trifft die Schule als Ort sozialen Lebens. Es geht dabei um die Gestaltung des Miteinanders, wobei gerade eine ästhetisch-künstlerische Praxis vielfältige Anlässe gibt, Einfluss auf dieses Miteinander zu nehmen. Zum einen sind viele Kunstformen soziale Kunstformen, die auf das gemeinschaftliche Agieren vieler Akteurinnen und Akteure angewiesen sind. Zum anderen gehört es zur Natur dieser Praxis, immer wieder auch in öffentlichen Präsentationen die Arbeitsergebnisse der (Schul-)Öffentlichkeit zu zeigen. Eine künstlerische Praxis bietet zudem die Gelegenheit, kulturpädagogische Prinzipien wie Stärkenorientierung, Fehlerfreundlichkeit, gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung zu praktizieren.
Bei einem früheren Modell- und Forschungsprojekt (Timmerberg/Schorn 2009) hat sich gezeigt, dass eine solche ästhetisch-künstlerische Praxis eine sehr gute Gelegenheit gerade denjenigen Schülerinnen und Schülern bietet, die Schwierigkeiten mit den üblichen Leistungsanforderungen der Schule haben. Diese konnten ein neues Selbstbild entwickeln, was nachweisbare positive Folgen für die Sicht der beteiligten Lehrpersonen auf diese Schülerinnen und Schüler hatte.
Führung und Management
Eine ästhetisch-künstlerische Praxis in der Schule stellt neue Anforderungen an die Leitung der Schule. So geht es um eine bewusste Ressourcenplanung, da Kulturarbeit Ressourcen wie Raum, Zeit, Personal und Finanzen benötigt. Daher ist es notwendig, bei der Entscheidung für eine kulturelle Profilierung so viele Akteurinnen und Akteure wie möglich in die Schule einzubinden. Ein rein formaler Beschluss der Schulkonferenz genügt in der Praxis nicht. Zu dem Verantwortungsbereich der Schulleitung gehört insbesondere auch die Verantwortung für die Entwicklung des Personals, für die Fortbildung, für die Konzeption einer Qualitätsentwicklung von Schulen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen hat es sich als sinnvoll erwiesen, gemeinsame Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite und ausserschulischen Kulturakteurinnen und -akteuren auf der anderen Seite durchzuführen („Tandemmodell“). Bei der Durchführung von Kulturprojekten lassen sich zudem Erfahrungen mit Projektmanagement sammeln, die auch anderen Bereichen der Schule zugutekommen.
Eine weitere Facette des Referenzrahmens Schulqualität Nordrhein-Westfalen (und der Qualitätstableaus in anderen Ländern) besteht in der Berücksichtigung und gegebenenfalls Reform der Ausbildung von Lehrpersonen. So wurde ein Modul „kulturelle Bildung“ bzw. Veranstaltungen zu den Themen Kulturschule und kulturelle Schulentwicklung im Lehramtsstudium an einzelnen Universitäten eingeführt.
Stolpersteine und Probleme
Wie oben erwähnt, ist es eine Vorgabe vieler Förderprogramme, eine bessere Verankerung kultureller Bildung in der Schule über eine verstärkte Kooperation der Schule mit ausserschulischen Kultureinrichtungen umzusetzen. Aus diesem Grund ist „Kooperation“ nicht bloss zu einem zentralen Leitbegriff und Prinzip in diesem Feld geworden, man hat auch vielfältig sowohl Gelingensbedingungen als auch Ursachen für das Misslingen reflektiert. Einige Aspekte sollen hier benannt werden. Viele Handlungsempfehlungen beginnen damit, dass sich beide Seiten auf ein gemeinsames Verständnis von Bildung einigen sollen. Man stellt allerdings sehr rasch fest, dass sich die jeweiligen Vorstellungen von Kunst, Bildung, von Formen der Organisation oder von Umfang und Verbindlichkeit der Bereitstellung von Ressourcen deutlich unterscheiden. Man führt dies zum Teil auf die unterschiedlichen Handlungslogiken in den Politikfeldern Jugend, Kultur und Schule zurück. Gerade im Bereich der Künste treffen zudem sehr unterschiedliche Professionalitäten aufeinander, bei denen es gerade aufgrund eines gemeinsamen Bezugs auf dieselbe Kunstsparte zu Konkurrenzen kommen kann. So trifft man etwa im Bereich der Musik, des Theaters oder der bildenden Kunst sowohl professionelle Kunstausübende, auf ausserschulische (Kunst-)Pädagoginnen und Pädagogen und man trifft auf Lehrpersonen mit dem jeweiligen Unterrichtsfach. Für jedes dieser drei Felder (professionelle Kunst, ausserschulische und schulische Kunstpädagogik; „Kunst“ hier als Oberbegriff für alle Sparten) gibt es spezialisierte Ausbildungseinrichtungen, es gibt Fachverbände, es gibt Publikationsorgane, die nur begrenzt die jeweiligen Nachbarfelder zur Kenntnis nehmen. Man hat es also mit unterschiedlichen Professionalitäten zu tun, so dass sich als Zukunftsaufgabe die Notwendigkeit ergibt, sehr viel genauer als bisher die jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Professionen im Rahmen einer ästhetisch-künstlerischen Praxis auszuloten.
Ein weiteres Problem, das mit diesem Problem eng zusammenhängt, besteht darin, dass insbesondere die Institution Schule bei nahezu allen Beteiligten hochgradig emotional besetzt ist. So herrschen vielfach im ausserschulischen Bereich stark verzerrte Bilder von Schule vor, die wenig mit der Realität der Schulen und Lehrpersonen zu tun haben. Als Basis für eine Kooperation ist es allerdings notwendig, über eine gewisse realitätsnahe Kenntnis der Partnerinnen und Partner zu verfügen und eine selbstkritische Haltung zu den eigenen Ressentiments zu entwickeln.
Implementierungsstrategien
Seit langem beschäftigt alle, die an einer Reform der Schule interessiert sind, die Frage, wie Neues in die Schule kommt. Entsprechend einer eingeführten Unterscheidung kann man (so wie Fend 2005) diese Frage aufteilen danach,
- wie innovative Methoden umfassend auf der Ebene des Lehrens und Lernens eingeführt werden können (Mikroebene),
- wie sich die Schule als Ganzes verändern kann, wie sich also neue Konzepte von Schule verbreiten (Mesoebene),
- wie die politischen Rahmenbedingungen entsprechend der gewünschten Innovation verändert werden können und müssen (Makroebene).
Man musste feststellen, dass Modellprojekte überraschend wenig Folgen für die Praxis hatten. Das mag zum Teil daran liegen, dass man das Problem der Implementierung von Innovationen und des Transfers von Modellsituationen in die allgemeine Praxis unterschätzt: Auch gute Ideen und Konzepte werden nicht im Selbstlauf in der Praxis angenommen. Daher hat man sich bei der Konzeption der Kulturschule gefragt, wie dafür gesorgt werden kann, dass die Erfahrungen einer mehrjährigen Praxis unterschiedlicher grösserer und kleinerer Modellprojekte in diesem Bereich, insbesondere aus dem Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“, in der Praxis verbreitet werden können. Einige Beispiele sollen hier gegeben werden.
Ein erster wichtiger Weg besteht darin, die gewonnenen Erfahrungen in Publikationen und Arbeitshilfen aufzubereiten und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht auf den unterschiedlichen Ebenen zwischen Praxis und theoretischer Reflexion, wobei neben klassischen Buchpublikationen die Internetauftritte der Akteurinnen und Akteure ein geeignetes Instrument sind. So hat das Forum K&B (2015) als deutscher Träger des Kulturagentenprogramms am Ende dieses Programms eine vierbändige Arbeitshilfe mit Reflexionen, Checklisten und Erfahrungsberichten bereitgestellt. Alle grösseren Programme werden zudem wissenschaftlich begleitet und evaluiert, sodass in den entsprechenden Evaluationsberichten wichtige Hinweise für die Implementierung zu finden sind (Abs u. a. 2013, Ackermann u. a. 2015). Einige Länder vergeben zudem ein Gütesiegel „Kulturschule“. In England gab es das analoge Konzept „artsmark“.
Ein zweiter Weg besteht darin, die Kenntnisse von Personen, die in der Betreuung der früheren Modellprogramme gesammelt worden sind, systematisch zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft etwa Kulturagentinnen und Kulturagenten, die in den Kulturagentenprogrammen über mehrere Jahre ein neues Berufsbild geschaffen haben. Auf der Basis dieser Kenntnisse sind Qualifizierungsmassnahmen zu entwickeln. Zudem gibt es in allen Ländern etablierte Strukturen der Lehrpersonenfortbildung, die dieser Hinsicht genutzt werden können.
Was Max Fuchs in seinem Blogbeitrag zur kulturellen Schulentwicklung veranschaulicht, konkretisiert sich im Erfahrungsbericht seiner Frau Anette Bösel-Fuchs, ehemalige Direktorin und didaktische Leiterin der Gesamtschule Else Lasker-Schüler in Wuppertal. Praktisch-anschaulich wird vermittelt, warum es sich lohnt, eine Kulturschule zu sein und sich über kreative Methoden und künstlerischen Vorgehensweisen im Schulalltag auszutauschen.
Den Beitrag von Anette Bösel-Fuchs finden Sie auf der nächsten Seite.
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